Für die körperbasierte Trauma-Gruppentherapie „Bonding“ (nicht zu verwechseln mit dem Fetisch!) möchte ich einen Auzug aus dem Skript „Bonding & Trauma (Ute Schreckenberg, Daniela Feuerhak, Dan Casriel-Institut, Bad Grönenbach 2009)“ erwähnen, der für die Kuscheltherapie ebenso essentiell wie wichtig ist, da ja auch Teilnehmer*innen mit traumatischem Hintergrund willkommen sind, und hier besonders behutsam auf ein stimmiges Tempo, die körperliche Kontakt-Ebene und die eigenen Grenzen geachtet werden muss:
„Welche Auswirkungen hat Traumatisierung für die Betroffenen und was bedeutet das für uns in der Bonding-Psychotherapie?
Physiologisch sind traumatisierte Menschen dünnhäutig und häufig schnell überreizt, mit all den Facetten, die uns als PTBS bekannt sind. Diese Vulnerabilität ist keine gute Voraussetzung für eine emotionsfokussierte Körperpsychotherapie wie die Bonding-Psychotherapie.
Fragmente dieser lebensbedrohlichen Erfahrungen sind leicht triggerbar durch spezifische Kontaktkonstellationen, bestimmte Worte, Stimmen, Gerüche…… Es kommt dann zur Wiederbelebung von Traumamaterial in Form von emotionaler Überflutung, Flash-Backs, Körpersensationen. Dies wird nicht als Erinnerung erlebt, sondern als ob die ursprüngliche traumatische Einwirkung genau jetzt wieder geschieht. Häufig wird diese Überflutung erneut durch eine erlösend wirkende Dissoziation gestoppt. In diesem Zustand können Traumatisierte nicht zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterscheiden.“
„Wenn meine Bindung als Kind zu wichtigen Bezugspersonen tief gestört, verunsichert oder sogar chaotisch ist, dann brauche ich umso mehr etwas Verbindendes, weil ich als Kind ohne Bindung nicht sein kann. Wenn ich dann auf mich mit dem Blick meiner misshandelnden Eltern schaue und deren Einstellungen über mich übernehme, verbindet mich das mit ihnen. Dies ist ein unbewusster Vorgang, um Bindung zu sichern. Die Überlebensstrategie, die hinter der Entwicklung von Täter-Introjekten steckt, macht es notwendig, traumatisierten Menschen viel Zeit und Behutsamkeit fur die Entwicklung neuer Selbstkonzepte anzubieten.
Der häufige, meist wenig reflektierte Wechsel von Bondingpartnern bietet bindungstraumatisierten Menschen keine ausreichende Vertrauensbasis und fördert ungeklärte Projektionen und Spaltung.
Die aufgezeigten Risiken haben zu Erweiterung unseres Konzeptes geführt:
- Einbeziehung des traumatherapeutischen Paradigmas und traumatherapeutischer Methoden
- Fokus auf Resilienzförderung und korrigierende Beziehungeserfahrungen
- Veränderungen im Setting, um äußere Sicherheit zu etablieren
- Annäherungsübungen, modifizierte Haltepositionen, modifizierte Konfrontationsregeln. Was bedeuten uns diese einzelnen Aspekte?
Einbeziehung des traumatherapeutischen Paradigma und Methoden
Wir beziehen uns hier auf die stabilisierenden Aspekte der Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie (PITT) nach Dr. Luise Reddemann, vielen von Ihnen sicher bekannt. Voraussetzung ist eine klare therapeutische Struktur und eine transparente, nicht konfrontierende therapeutische Beziehung. Zumindest in den Anfängen der Beziehungsgestaltung ist die Konfrontation auf das Notwendigste reduziert. Wichtige methodische Aspekte sind das Erlernen von Techniken, überflutende Emotionen zu steuern, und eine ressourcenorientierte „Therapie auf der inneren Bühne“. Letztere beruht auf stärkenden, unterstützenden und heilenden Vorstellungen, den sogenannten Imaginationen. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die Arbeit mit „dem inneren- Kind“ bzw. mit „jüngeren Ichs“ oder umfassender gesagt, mit verschiedenen Ego-States (Ich- Zuständen). Immer geht es darum, eine Distanzierung vom Traumaerleben, eine höhere Steuerungsfahigkeit und mehr Selbstfürsorge zu entwickeln. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Psychoedukation: wir versuchen, die verwirrenden und bedrohlichen Erfahrungen, die unsere KlientInnen gemacht haben, in ein Erklärungs- und Interpretationsschema einzuordnen.
Resilienzfördernde Faktoren der Bonding-Psychotherapie und das veränderte Setting [D.F.] Die psychische Widerstandskraft eines Menschen entwickelt sich im Wesentlichen auf dem Hintergrund seiner frühen Beziehungserfahrungen. Langzeitstudien haben jedoch gezeigt, dass unter bestimmten Umständen auch negative Prognosen zu einem guten Ausgang führen. Maßgeblich sind in diesem Zusammenhang die Förderung ressourcenorientierter Aspekte der Persönlichkeit und deren positiver Verstärkung aus der Umwelt. Das bedeutet für unser Setting im Wesentlichen folgendes: Wir müssen zunachst äußere Sicherheit herstellen. Im Vorfeld heißt das, dass wir eine deutlich ausgeprägte Anamnese machen, das bedeutet mehr telefonische Vorgespräche, längere Eingangsrunden (zum Leidwesen der „Alten“) komplexere Fragebögen, detaillierte Auswertung. Das bedeutet auch, dass wir uns flexibler auf die Bedürfnisse unserer Klienten einstellen, was ihr besonderes Bedürfnis nach Schutz, Rückzug und körperlicher Unversehrtheit betrifft und entsprechende Bedingungen schaffen. Sei es, dass wir vermehrt in Kleingruppen arbeiten, ruhige entlastende Methoden aus der inneren Kind Arbeit integrieren und/oder individuelle Vereinbarungen über Pausenzeiten oder Auszeiten von der Gruppe vereinbaren. Wir (Leiter*innen / Therapeut*innen) sind so gut wir vermögen feinfühlig, emotional aufrichtig und (langfristig) verlässlich. Wir achten darauf, dass das Setting Raum für individuelle Begegnungen lässt, bei Bedarf vor und nach einem Workshop, in jedem Fall aber währenddessen. Das bedeutet, dass wir heute mit deutlich kleineren Gruppen (maximal 16 Personen bei zwei Therapeuten) arbeiten.
Wenn der Kontakt abbricht, knüpfen wir an die unterbrochene Kommunikation an. So können Klienten, die das nie erlebt haben, Erfahrungen von Kontinuität in einer Beziehung machen.
Wir rekonstruieren gemeinsam Geschichte, geben Geschehenem Sinn, forschen nach hilfreichen Menschen in der Biografie, nach Erfahrungen von Zuversicht, Selbstkompetenz und Selbstvertrauen. Und wir entwickeln gemeinsame kohärente Geschichten und füllen sie mit positiven emotionalen Inhalten. Wo es sinnvoll ist, korrigieren wir mit Hilfe traumatherapeutischer Interventionen alte Erfahrungen. Wir erklaren mehr als früher, weshalb wir etwas tun, geben den Köpfen unserer Klienten mehr Nahrung, damit sie zuordnen können, was geschieht. Wir lassen sie ihre Erfahrungen mehr in Worte fassen, damit sie integriert werden können und wir üben mit ihnen, mit ihren Gefühlen in Kontakt zu gehen und sie steuern zu lernen, ohne von ihnen überflutet zu werden.
Vor allem fokussieren wir nicht mehr auf den emotionalen Ausdruck, die Katharsis, sondern auf die behutsame Annäherung an die eigenen Gefühle. Erst wenn im übertragenen Sinne „alle Mann an Bord sind“, das heißt alle Ich-Anteile sicher sind, bzw. an einem sicheren inneren Ort „gebracht“ sind, beginnen wir mit dem emotionalen Ausdruck. Im Kontakt zum Gegenüber, auch wenn dieser nicht unbedingt körperlich sein muss.
Wenn sich dissoziative Zustände, Überflutung oder Abreaktionen anbahnen und der Kontakt zum Partner nicht gehalten werden kann, unterbrechen wir emotionale Prozesse behutsam und reflektieren das Geschehen gemeinsam mit beiden beteiligten Klienten. Entgegen früherer Einschätzungen gibt das Erleben des Haltenden nicht nur Hinweise auf das Übertragungsgeschehen, sondern darüber hinaus hat die Beziehungsdynamik für beide Beteiligten Relevanz.
Heilsame Bindungen sind wachstumsorientiert, ermutigend, verlässlich, fördern die Individualitat und den Gemeinsinn.
Deshalb achten wir sehr darauf, dass Begegnungen in der therapeutischen Gemeinschaft so gestaltet werden. Als hilfreiches Korrektiv haben wir unter anderem eine modifizierte Form der Konfrontation gewählt, die es ermöglicht, mit dem Anderen konflikthaftes Material zu thematisieren ohne in Anklagen, Manipulation, Bewertungen und Übertragungen stecken zu bleiben. Wenn ein solcher Prozess gelingt, hat man es am Ende mit verantwortlichen Erwachsenen zu tun, die respektvoll mit dem anderen sein können, und gleichzeitig den Aspekten des Inneren Kindes Schutz gewähren.
Resilienz kann man lernen. Sie ist das Endprodukt eines Prozesses, der Risiken und Stress nicht eliminiert, der es dem Menschen aber ermöglicht, effektiv damit umzugehen. Oder, um es mit den Worten von Albert Camus zu sagen:
„Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt.„
Alternative Haltemethoden [D.F.]
Gerade Menschen mit grenzüberschreitenden Erfahrungen, sowohl seelischer als auch körperlicher Art, fühlen sich durch unsere klassische Mattenhaltung leicht überrollt. Nicht nur sexuell missbrauchte Menschen (obwohl wir es bei denen als erstes erkannt haben), reagieren häufig panisch darauf, wenn sich ein fremder Mensch ziemlich unvermittelt auf sie legt. Und das gilt für sowohl die begleitende wie die aktive Rolle. Wir bieten neben dem „Stop!“, was nicht jeder Traumatisierte sagen kann, von Anfang an alternative Haltepositionen oder Kontaktangebote an. Dazu zählt die klassische Haltematte im Sitzen, die sich gerade für Prozesse des Nachnährens anbietet. Hier, wie bei jeder anderen Matte muss sichergestellt sein, dass der Haltende seine Rolle gut und mit hoher Präsenz ausfüllen kann. Eine weitere Option, gerade für Menschen mit einem anklammernden Bindungsstil ist die Distanzierungsmatte; in diesem Fall beginnt die Matte in der Nähe und der Haltende macht Erfahrungen mit seinen Gefühlen und Gedanken, wenn er sich trennt. Wieder andere Matten, z.B. bei sehr misstrauischen Menschen und solchen mit einem, immer aus gutem Grund, ablehnenden Bindungsstil oder keinem Bindungsverhalten beginnen in weitem Abstand. Ähnlich der Annäherungsübung arbeitet man hier mit Gedanken, Gefühlen und Impulsen, wenn das Annäherungsbedürfnis aktiviert ist. Ziel ist die Erfahrung, nicht der abschließende Körperkontakt. Wir arbeiten mit Haltepositionen, wie sie Kinder verschiedener Altersklassen bevorzugen würden; liegend mit dem Kopf auf dem gluckernden Bauch bei Regressionen in frühe Ich-Anteile, sitzend nebeneinander für die Älteren. Mehr denn je fragen wir nach den Impulsen unserer Klienten und so haben wir eine Vielzahl von Alternativen erlebt. Wir begleiten die Mattenerfahrungen durchaus über einen langen Zeitraum, um unsere Klienten zu sichern und um die Dynamik der Matte gut zu verstehen. Wir bieten häufig entlastende, wenig bedrohliche Halteerfahrungen an und intervenieren stärker. Wenn wir wissen, dass Lautstärke ein Katalysator fur Flashbacks ist, teilen wir die Gruppe in eine laute und eine leise Gruppe. Vor allem drängen wir nie auf emotionalen Ausdruck; wir machen im Gegenteil die Erfahrung, dass auch für unsere nicht traumatisierten Patienten entscheidende Bindungserfahrungen sich in der Stille vollziehen. Das heißt natürlich nicht, dass bei uns alle leise sein müssen, wir wollen nur alle Ich-Anteile mit im Boot haben.“
Hier geht es zu den Folien vom Vortrag und dem kompletten Skript (pdf) von Ute Schreckenber und Daniela Feuerhak (Dan Casriel Institut)